Hansi I (links) und Hansi II (rechts) - dem „Archiv Drei Schwestern“ zugehörig
aus der Serie: Zwerge und andere Wesen aus dem Kosmos der drei Schwestern
Der Kosmos der drei Schwestern: ein großes Konvolut, das 2018 in Regina Baierls Hände fiel, an großteils akribisch sortierten und beschrifteten Dias und romanhaften Fotoalben. Seither erforscht und interpretiert sie dieses „Archiv Drei Schwestern“ und transformiertBilder und Geschichten, die sie dort entdeckt hat.
Zwerge und andere Wesen kommen im Gartenreich dieses Kosmos’ vor. Sie verselbständigen sich im Transformationsprozess.
.... Es entstehen neue Erzählungen
2024, 4,5 x 4,0 x 2, 0 cm und 4,7 x 4,5 x 1,9 cm, Porzellan, glasiert, Unikate
Courtesy: Privatsammlung
Die Münchner Künstlerin und Architektin Regina Baierl widmet sich in ihren Arbeiten den elementaren Fragen nach dem Wesen des Raumes, Intimität, Privatheit und Rückzug. Ihre ‚privaten Gehäuse mit Studiolo‘ / ‚Studiolo im privaten Gehäuse‘ stellen eine Werkreihe dar, bei der alltägliche, ausgediente Möbelstücke transformiert und in begehbare Kleinstarchitekturen verwandelt werden zwischen Kunst, Architektur und Erinnerung. Es werden Räume eröffnet, die über die physische Dimension hinausweisen.
Der Begriff ‚Studiolo‘ verweist auf die kunstvoll gestalteten Studierzimmer der Renaissance, die Gelehrten und Fürsten als Rückzugsorte für Kontemplation und geistige Sammlung dienten. Zugleich fungierten sie zur Ausstellung von Preciosen aus aller Welt. Sie waren die geheimsten Orte im Palazzo.
Regina Baierl greift dieses historische Motiv auf und übersetzt es in die Gegenwart: Schränke und andere Möbel werden zu architektonischen Modulen, die erst im Moment des Betretens ihre ganze Wirkung entfalten. Türen und Klappen verwandeln sich in Durchgänge oder Tische, kleine Fenster öffnen den Blick nach außen. Licht, Material und Akustik schaffen eine Atmospäre der Geborgenheit, der Privatheit.
Die ‚privaten Gehäuse‘ wirken auf den ersten Blick unscheinbar, ein Schrank, ein Möbelstück, vertraut aus dem Alltag. Doch sobald man eintritt, beginnt die Transformation. Ein Sitz lädt ein, sich niederzulassen und zu verweilen. Der Raum ist nicht nur physisch sondern auch psychisch erfahrbar.
Regina Baierl ist auf der Suche nach Antworten auf Fragen wie: Was bedeutet wohnen? Was ist privat, was öffentlich? Was ist die Differenz zwischen Innen und Außen? Gibt es ein Dazwischen? Die ‚Studioli’ sind Räume der Beobachtung, Wahrnehmung und Erfahrung. Beobachtung und Wahrnehmung der Welt - da draußen und in sich selbst. Erfahrung durch Tasten und sehen, riechen und hören.
Ausgestattet mit wenigen Gegenständen, die eine gewisse Universalität in sich tragen durch ihre Wiedererkennbarkeit, werden die Kleinsträume zu Mikrokosmen, die sich auch um Identität, Erinnerung und Intimität drehen, unmittelbar erlebbar. Es entstehen Beziehungen zwischen Körper, Raum und Erinnerung durch die Auseinandersetzung mit dem Objekt als Träger von Geschichte und Bedeutung.
Im Langzeitprojekt „Archiv Drei Schwestern“, das Erinnerung, Architektur, Kunst und Empathie miteinander verschränkt, werden die ‚privaten Gehäuse’ um eine biografisch-narrative Dimension erweitert; die „Häuser der Schwestern“ öffnen sich zu individuellen Geschichten mit persönlichen Objekten. Das architektonische Konzept wird um eine archivarische und erinnerungskulturelle Ebene ergänzt. Die Grundfrage bleibt dieselbe: Wie kann ein Raum mehr sein als eine funktionale Hülle - nämlich ein Ort, der Identität stiftet, Erinnerung bewahrt und existenzielle Erfahrungen ermöglicht?